Es war eine seltene Gelegenheit für Markus Söder (CSU), beim Thema Energiewende mal wieder in die Offensive zu kommen. Denn bei diesem Thema ist Bayerns Ministerpräsident Kummer gewohnt. Die norddeutschen Kollegen fordern, in Bayern und Baden-Württemberg sollten die Menschen zukünftig höhere Strompreise zahlen, schließlich profitierten die auch in erster Linie von den milliardenteuren Überlandleitungen, die derzeit errichtet werden, um den Windstrom von Nord nach Süd zu transportieren.
Klimaschützer weisen dem Bundesland auch sonst gern die Rolle des Sündenbocks zu. Nirgendwo entstehen schließlich so wenige Windkraftwerke wie in Bayern, nirgends ist zugleich der Energiebedarf so groß.
Dass Bayern beim Ausbau der Solarkraft weit vor allen anderen Ländern liegt, wird dabei ebenso gern übersehen wie das Projekt, wofür Söder am vergangenen Freitag ins niederbayerische Örtchen Jettenbach gereist war. Pünktlich zum Beginn der Heizperiode konnte Söder dort das größte deutsche Wasserkraftwerk einweihen. Das Bauwerk im Inn existiert zwar bereits seit über 100 Jahren, nach einem jahrelangen und millionenteuren Umbau aber leistet es nun deutlich mehr, kann mehr als 200.000 Haushalte mit Strom versorgen. Und so nutzte Söder den Anlass für eine kleine Lobrede auf die Wasserkraft an sich. Die sei eine „urbayerische Heimatenergie“, weshalb er sich dafür einsetzen wolle, ihre Bedeutung wieder zu stärken im Vergleich zu „den anderen Erneuerbaren Energien“. Dann wurde Söder konkret: „Meine Vorstellung wäre, dass wir an der Salzach den nächsten Schritt machen.“ Hier gibt es bereits seit vielen Jahren Pläne für den Bau eines neuen Wasserkraftwerks.
Zentrum der Expansion in Österreich
Dass Söders Wahl ausgerechnet auf den Grenzfluss zu Österreich fällt, mag Zufall sein. Zweifellos jedoch liegt hinter der Grenze derzeit das Zentrum der Wasserkraftexpansion. Seit Jahren schon setzt Österreich voll auf Wasserkraft. Seit die Europäische Union den Energieträger mit Windkraft und Sonnenenergie gleichgestellt hat, blicken immer mehr andere Länder auf die Aktivitäten im Alpenland. Bis 2030 will das Land seinen gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Energien decken, der größte Teil davon soll aus Wasserkraftwerken in Tirol kommen.
Doch in Österreich zeigen sich nicht nur die Ambitionen, sondern auch die Schwierigkeiten der Wasserkraftrenaissance. Zum einen sind die Potenziale dort kaum mit denen in anderen Ländern zu vergleich, mit Ausnahme vielleicht der Schweiz und dem schon heute besonders regen Wasserkraftnutzer Norwegen. So erzeugen die österreichischen Wasserkraftwerke bereits heute die Hälfte des gesamten Strombedarfs im Land. Die deutschen Turbinen, immerhin gut 5000, schaffen ebenfalls rund die Hälfte – der Leistung der gesammelten Biogasanlagen in der Republik.
Zudem zeigt sich in Österreich zunehmend, dass der erneuerbare Energieträger selbst ein ökologisches Problem hat. Zum einen ist die Leistung der Wasserkraftwerke stark vom Klimawandel getroffen. Perioden wie im aktuellen Sommer, in denen der Niederschlag mitten in Europa über Wochen hinweg ausbleibt, beeinträchtigen die Leistung der Kraftwerke massiv. So produzierten die österreichischen Turbinen schon im Juni und Juli deutlich weniger Energie als im Vorjahreszeitraum, im August waren es dann 37 Prozent weniger als 2021. Nur noch 77 Prozent seines Strombedarfs konnte das Land selbst decken, der Rest musste importiert werden. Perspektivisch dürfte die Lage noch kritischer werden: Die massive Gletscherschmelze versorgt die Flüsse dort über die nächsten Jahre zunächst mit zusätzlichen Wassermengen, danach könnte der Zustrom jedoch völlig versiegen.
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Da die Wasserkraft zudem seit mehreren Jahrhunderten für die Energieerzeugung genutzt wird, sind die weiteren Ausbaupotenziale geringer, als es die vielen aktuellen Projekte erscheinen lassen. Laut einer Schätzung des Umweltbundesamtes werden heute bereits 80 Prozent des gesamten Potenzials für die Erzeugung von Wasserkraft im Land genutzt. Bei der Windkraft und der Solarenergie ist weniger als ein Drittel des Potenzials ausgeschöpft.
Die Energiespar-Vorgaben der Bundesregierung
- Durchgangsbereiche wie Flure, Foyers oder Technikräume werden nicht mehr geheizt – außer, es gibt dafür sicherheitstechnische Gründe.
- Öffentliche Gebäude werden nur noch bis höchstens 19 Grad geheizt - bei körperlich leichter und überwiegend sitzender Tätigkeit. Bisher lag die empfohlene Mindesttemperatur laut Ministerium bei 20 Grad. Für Arbeitsräume, in denen Menschen leichte Tätigkeiten „überwiegend im Stehen oder Gehen” oder mittelschwere und überwiegend sitzende Tätigkeiten verrichten, gilt eine Obergrenze von 18 Grad. Für mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder Gehen sind es 16 Grad und für körperlich schwere Tätigkeiten 12 Grad. Für Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder andere soziale Einrichtungen gilt die neue Regelung nicht.
- Boiler und Durchlauferhitzer dürfen nicht mehr für die Warmwasserbereitung am Waschbecken genutzt werden – es sei denn, das ist aus hygienischen Gründen vorgeschrieben.
- Die Beleuchtung von Gebäuden und Denkmälern aus rein ästhetischen oder repräsentativen Gründen wird ausgeschaltet. Ausgenommen sind kurzzeitige Beleuchtungen bei Kulturveranstaltungen und Volksfesten.
- Die Verordnung schreibt nicht vor, dass zum Beispiel in Büros die Raumtemperaturen verringert werden müssen – es werde aber ermöglicht, dass Arbeitgeber auch im gewerblichen Bereich rechtssicher weniger heizen dürfen und Gelegenheit haben, dem Beispiel der öffentlichen Hand zu folgen. Dies sei Grundlage für Selbstverpflichtungen von Betrieben und betrieblichen Vereinbarungen zur Energieeinsparung.
- Klauseln in Mietverträgen, die eine bestimmte Mindesttemperatur vorsehen, werden vorübergehend ausgesetzt.
- Private Pools, ob drinnen oder draußen, dürfen nicht mehr mit Gas und Strom geheizt werden.
- Gasversorger und Besitzer größerer Wohngebäude müssen ihre Kunden beziehungsweise Mieter frühzeitig informieren – über den erwarteten Energieverbrauch, dessen Kosten und Einsparmöglichkeiten. Das soll spätestens zum Beginn der Heizsaison passieren.
- Leuchtreklame und Werbetafeln werden von 22.00 Uhr abends bis 16.00 Uhr am Folgetag ausgeschaltet – wenn dies nicht zur Verkehrssicherheit nötig ist wie etwa an Bahnunterführungen. Der Gedanke dahinter: Weil es tagsüber ohnehin hell ist, soll die Beleuchtung erst am Nachmittag wieder für sechs Stunden eingeschaltet werden dürfen.
- Ladentüren oder sonstige „Eingangssysteme” zu beheizten Geschäftsräumen im Einzelhandel dürfen nicht mehr dauerhaft offen stehen – außer das ist für das Offenhalten eines Fluchtwegs erforderlich.
Wie aufwändig es ist, die letzten Prozentpunkte aus der Wasserkraft herauszuquetschen, zeigt sich ebenfalls in Österreich. Im Tiroler Kaunertal wird ein besonders großes Wasserkraftwerk geplant, seine Leistung allein soll knapp über einem Gigawatt liegen, was gut einem Fünftel der gesamten deutschen Wasserkraftleistung entspräche. Doch der Aufwand, der dafür getrieben werden muss, ist immens. Neben einem rund 120 Meter hohen Staudamm müssen auch zwei Überleitungen in Nachbartäler geschaffen werden, um das Wasserkraftwerk mit Zuflüssen aus der Venter Ache und der Gurgler Ache zu füllen. Ein mehr als 20 Kilometer langes Tunnelsystem muss dafür geschaffen werden.
All dies sind keine Argumente, die Wasserkraft grundsätzlich zu verwerfen. Als Retter in der Energiekrise aber, das zeigen die Probleme des österreichischen Ausbaus deutlich, taugt der neue Mauerbau nicht.
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